Bonn am Limes – Das Erbe der Römer

Bonn am Limes – Das Erbe der Römer

von Ingeborg Flagge

(Foto: Copyright: L!nk 3D – Digitale Archäologie Das Lager der Römer in Bonn am Rhein)

Dass Bonn am Rhein liegt, dürfte allgemein bekannt sein. Dass es auch am Limes liegt, wirft sicherlich einige Fragen auf und erfordert Antworten.

Der Limes war die politische und administrative Grenze zwischen der linksrheinischen Provinz Germania inferior und dem rechtsrheinischen Germania magna, in dem die Römer nie Fuß fassen konnten und das deshalb nie zum römischen Reich gehörte.

Der Limes, übersetzt „Schneise“ bzw. “Querung“, orientierte sich an geographischen Merkmalen wie Flüssen, Bergen, Seen, am Meer. Bei Bonn ist der Rhein die Grenze , und insofern liegt Bonn auch am Limes. In großen Teilen allerdings bestand der Limes aus von den Römern errichteten Schutzmauern und Wällen mit Wehrtürmen und Legionslagern wie z.B. dem castra bonnensis, das die römische Legion 1 zwischen 30-45n.Chr. errichtete.

Dieses Lager in der Größe von 528 x 524 m entstand nördlich des Bonner Stadtzentrums im Bereich Rosental, Augustusring, Graurheindorferstraße und der Rheinpromenade. Castel ist heute ein eigener Bonner Stadtteil. Das Lager wurde als Teil des niedergermanischen Limes zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt.

Südlich vom eigentlichen Lager, im Bereich des heutigen Stadtzentrums, wurde eine zivile Lagervorstadt (cannabae legionis) errichtet, wo ca.17000 Menschen inklusive 7000 Militärangehörigen lebten, die vorwiegend römischer Herkunft waren. Diese cannabae ergänzten jedes römische Lager im gesamten Imperium. Hier waren die Versorgungseinrichtungen für das Lager, Verkaufsstätten, Wohnungen und Bordelle, hier wurde Handel getrieben und verkehrten die Kaufleute.

Eine weitere Siedlung (vicus bonnensis) entstand im Laufe des 1. und 3. Jahrhunderts im früheren Regierungsviertel Bonns. Sie hatte wahrscheinlich weniger mit dem Militär zu tun, sondern glich mit einem Tempel, einer Badeanlage, Wohnungen sowie Gutsbetrieben einer eigenen urbanen Siedlung, die über ein Wege- und Straßennetz mit der Garnison verbunden war und eine gemischte Bevölkerung aufwies. Hier lebten Teile der germanischen Urbevölkerung und Stämme der Ubier, die mit Billigung der Römer aus den rechtsrheinischen Gebieten in das linksrheinische römische Gebiet übersiedelt waren.

Bonn war eines von 50 Kastellen, die auf Befehl des Augustus von dessen Stiefsohn Claudius Drusus nach 13 v.Chr. entlang des Rheins errichtet wurden. Dieses dichte Netz von Verteidigungsanlagen und Kasernen war aber nicht nur zur Verteidigung gedacht; im Zweifelsfalle hätte seine Architektur einem vereinten Angriff der Germanen auch nicht stand gehalten. Aber am Limes und vor allem dort, wo Kastelle lagen, fand reger Handel zwischen den beiden Rheinufern statt. Man tauschte Waren, Menschen und Informationen aus.

Wie gesagt, das Militärlager war keine uneinnehmbare Festung. Zwar war es von einer Steinmauer mit Erdwall, Wehrgang und Gräben umgeben, aber die Tatsache, dass eine öffentliche Strasse – die heutige B9 – durch das Lager hindurch führte, zeigte, dass das Bonner Kastell keine bloße Verteidigungsanlage war.

Jedes Lager am Rhein hatte einen eigenen Hafen. Hier lagen Handelsschiffe und die schnellen Flussboote, die den Rhein bei Tag und Nacht patrouillierten. Der Bonner Hafen von ca. 350 m Länge liegt am heutigen Wichelshof, wo der Nachbau eines römischen Lastkranes erkennen lässt, wie schwere Steine und Waren versetzt wurden. Bei Niedrigwasser des Rheins ist der Grundriss des Hafens noch heute erkennbar.

Überall wo in Bonn gegraben wurde, fand man nicht nur die Grundrisse von Häusern ,Tempeln und Verteidigungsanlagen, sondern auch jede Menge Statuen und Köpfe aus römischer Zeit. Da die großen Ausfallstraßen von Grabsteinen und Stelen flankiert waren, ist das Lager und seine heutige Umgebung mit zahlreichen Kopien solcher Grabsteine verschönert. Eine der größten und prächtigsten stand leider nicht in Bonn selbst, sondern an der Straße von Köln nach Bonn. Es ist das einzigartige Pobliziusdenkmal, benannt nach dem Soldaten, der darunter bestattet wurde. Das fast zehn Meter hohe Denkmal ist im Römisch Germanischen Museum in Köln zu besichtigen.

Die in Bonn Castell gefundenen Grabstelen haben die Größe heutiger Grabsteine. Ihre Inschriften liefern Namen, Alter und Herkunft der toten Soldaten und Auskünfte dazu, welchen Rang sie in der Armee hatten. Ein typischer Text ist „Quintus Petilius Secundus Sohn des Quintus aus dem Stammbezirk Oufentina aus Mailand, Soldat der 15. Legion Primigenia, 25 Lebensjahre 5 Dienstjahre, der Erbe hat auf Grund des Testamentes den Grabstein machen lassen“, das Ganze natürlich in lateinischer Sprache.

Wen die vielen nicht italienischen, sondern auch fernöstlichen Namen von Soldaten auf ihren Grabstelen wundern, der muss wissen, dass römische Militärangehörige oft am anderen Ende des Reiches eingesetzt wurden und nicht dort, wo sie ursprünglich herkamen. Das gilt besonders für Soldaten am Ende ihres Dienstes. Sie bekamen dann als Abfindung ein Stück Land zugewiesen, das nicht in ihrer Heimat lag. In dem für ihn fremden Teil des römischen Reiches sprach der Soldat selten die einheimische Sprache, er musste sich fremden Sitten für den Rest seines Lebens anpassen und eine Fremde heiraten, wenn er eine Familie gründen wollte. Mit diesem klugen Schachzug sicherte Rom den Frieden an den extremen Enden des Reiches. Denn ein isolierter Soldat, der zudem die lokale Sprache nicht spricht, wird selten zum Aufrührer. Zu den spektakulären Funden in den cannabae am heutigen Collegium Albertinum zählt eine private Therme, die frei zugänglich ist.. Die Therme ist in ihren verschiedenen Räumen gut erhalten und gehörte wohl zum Wohnhaus eines kommandierenden Offiziers. Im Bereich des heutigen Münsters ist unter der Krypta ein kleiner Friedhof und eine cella memoriae nachgewiesen, „wo der Toten an Tischen und Bänken mit einer kultischen Mahlzeit gedacht wurde“. Diese Cella wurde 1928 ausgegraben und wird in enge Verbindung mit den Bonner Stadtpatronen Cassius und Florentinus gebracht, die hier in einer kleinen Saalkirche über der cella aus dem 4. Jahrhundert bestattet und seither verehrt werden.

Im Bereich des vicus bonnensis, der am weitesten vom heutigen Zentrum entfernten Ansiedlung, lebte eine Mischbevölkerung. Der vicus entwickelte sich entlang der Adenauerallee mit überdachten Kolonnaden, hinter denen sog. Streifenhäuser lagen, schmale, giebelständige Fachwerkhäuser auf Parzellen von bis zu 300 Metern Länge. Im vorderen Teil dieser Parzellen wurde gewohnt, nach hinten lagen Werkstätten, Kneipen und Läden. Neben diesen Hausfunden wurde auch ein Ziegelbrennofen gefunden, ein gallo-römischer Umgangstempel, ein Brunnen auf dem Gebiete des Hauses der Geschichte und beim Bau des neuen Bonn Centers gut erhaltene Skulpturen wie die eines Apollo im Habitus des sitzenden Zeus. Ein besonderer Fund war ein sog. Gesichtsgefäß mit schrägen Augen, einer Stupsnase, wulstigen Augenbrauen und einem schiefen Mund. Normalerweise sind solche Gefäße Urnen, in denen Tote begraben wurden. Dies aber war wohl ein Alltagsgegenstand, da er in einem Holzfass gefunden wurde. Alle diese Fundstücke sind im Landesmuseum zu besichtigen.

(Literatur: Wolfgang Wachtel, Auf den Spuren der Römer in der Stadt Bonn, www.Kid-Verlag.de)