GANZ IN WEIß – Arp-Museum Rolandseck

„Für nur einen Euro“, so beginnt Ingeborg Flagge ihre Führung vor dem Bahnhof Rolandseck,  „konnte Johannes Wasmuth den damals heruntergekommenen und abrissverdächtigen Bahnhof erwerben.“ Unglaublich, denken die meisten der Schwestern, die heute den attraktiven Bau am Rhein in ein malerisches Herbstlicht getaucht sehen. Es sei ein ziemlich schräger Vogel gewesen, dieser Johannes Wasmuth, gelernter Schumacher mit großer Neigung zu allem, was zur Kunstszene gehörte. Er suchte die Nähe zu Künstlern, Musikern, Politikern und der Wirtschaft. Von letzterer versprach er sich Unterstützung für seine Vision, den Bahnhof zu einem Kultur-und Musikbahnhofbahnhof zu machen. Das war Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Ingeborg Flagge erzählt zugleich auch aus ihrer Zeit in Bonn, sie war nah dran am Geschehen und das macht die Führung so lebendig.

Nur wenige Jahre später habe sie Johannes Wasmuth völlig überraschend  bei der Lufthansaverwaltung in Köln  getroffen. Während sie zu Honorarverhandlungen unterwegs war, sei er „zum Betteln“  hergekommen, „Sponsoren finden“ habe er ihr verraten. Er war gut in diesem Geschäft. und kam mit einem grossen Scheck wieder heraus. Kurze Zeit später bat er Ingeborg, den Kontakt zu dem “Mann mit den weissen Häusern” in New York herzustellen. Also zu Meier. Man sieht ihr jetzt förmlich an, wie sie damals über die hochfliegenden Pläne dachte,  aber sie habe den Kontakt zu dem  Stararchitekten aus den USA mit fränkischen Wurzeln geknüpft. Und der kommt irgendwann tatsächlich. Und zwischen dem knurrigen Wasmuth , der kein Englisch spricht, und dem Großstadtmenschen Meier, der kein Deutsch kann, beginnt ein Gespräch über ein mögliches Museum.  Das Ergebnis ist bekannt: 2007, Johannes Wasmuth hat es selbst nicht mehr erlebt, wird das weiße Haus am Hang eingeweiht.

Richard Meier hat – wie es typisch für ihn  ist-  ein Gebäude fürs Licht geschaffen. Entscheidend für diesen Architekten ist immer das Grundstück für seine Bauten. Er  hatte eine reiche Klientele und konnte es sich leisten,  jede Menge Museen zu bauen, seine Lieblingsbauaufgabe.„Spektakuläre Grundstücke begünstigen seine Bauten“, sagt Ingeborg, “seine Architektur will die Menschen bewegen“.  Und das tut sie, buchstäblich und wortwörtlich: wir erklimmen den Zugang über 230 Treppen in einem faszinierenden, vom Lichtspiel beherrschten Nottreppenhaus-Turm. Oben angekommen ist ein gleißendes Licht durch leicht milchige Scheiben erträglich formuliert. Schon jetzt beginnt der Besucher zu staunen: das Licht spielt kategorisch ein Eigenleben. Intuitiv sicher verfahre  Meier mit diesem Schauspiel, er inszeniere förmlich den Weg durch sein Gebäude, indem er Ausblicke schafft, Schatten kalkuliert und Stimmungen erzeugt. Seine Arbeit betreibt er mit dem hohen Anspruch, Kunst zu bauen, sagt Ingeborg. Ein bisschen vermessen sei das schon, aber er ist nicht allein. Die „NewYorkFive“, eine sehr selbstbewusste Gruppe junger Architekten, traute sich das durchaus zu. Dazu gehörten in den 70er Jahren Peter Eisenman, Michael Graves, Richard Meier, John Hejduk und Charles Gwathmey , die es sich zum Ziel gesetzt hatten, das Erbe Le Corbusiers weiter zu entwickeln.  An ihrem Stil seien sie zu erkennen., vor alle jedoch Meier. Er bedient sich geometrischer Module wie aus einem Modellbaukasten:  Säulen, Scheiben, Quadrate, Pfeiler, Halbkreise und Zylinder gehen fantasievolle Verbindungen miteinander ein.  Bevorzugte  Farbe, bei Meier, ist das  Weiß. Er liebe diese Unfarbe, die ihre Farbigkeit einzig durch Licht und Schatten  bezieht, für Meier die schönste Farbe, weil sich Weiß durch das Licht ständig verändert, anders reflektiert wird.  Die Sonne mit ihrem Licht scheint die engste Verbündete des Architekten Meier. Ob beim Stadthaus in Ulm, Kunstmuseum in Barcelona, Kirche in Rom oder auch dem Frieda-Burda-Museum, allen gemeinsam ist die Hinwendung zur Sonne. Für Museumsbauten  ist das nicht immer von Vorteil, weil sich schützende Rollos vor die Fenster schieben lassen müssen, denn Kunst ist empfindlich gegen Sonne. Ständige Lichtwechsel  und unterschiedlich starke Wärmeeinwirkungen machen es den Ausstellungsmachern nicht immer einfach, die Klimaanlage läuft ständig.

Höhepunkt des künstlerischen Bauens sei für Richard Meier das Getty-Museum in Los Angeles gewesen. Eine Ansammlung unterschiedlicher architektonischer  Ensembles ordnen sich malerisch auf einem Höhenzug, unvorstellbar großzügig die Anlage, weit sichtbar über der Stadt. Aber Getty hatte Bedingungen gestellt: Kein Weiß! Meier arrangierte sich. Heller Sandstein fand Verwendung, was der Schönheit des Meier-Baues  nicht abträglich sei, erklärt Ingeborg Flagge. Viele Modelle des Stararchitekten zeigt die Ausstellung am Rhein. Dass das Bahnhöfchen kein einfaches Objekt war, der Museumsbau dahinter wohldurchdacht in den Hang gebaut wurde, wird anschaulich dargestellt. Es fällt auf, dass Meier seine Freude an den Ausblicken hat, denn das Rheinpanorama war nicht ganz unschuldig an der Realisierung des Arp-Museums. Ingeborg Flagges Führungen sind eine Art Hochamt der Kunstvermittlung.

Am Samstagmorgen, den 20. Oktober 2012,  waren mehr als 20  Interessentinnen zur Führung gekommen. Der Ort der Handlung so attraktiv wie selten, denn der Herbst zauberte die richtigen Farben für das weiße  Arp-Museum am Rhein oberhalb des stimmungsvollen, alten Bahnhofsgebäudes von Rolandseck.