1.Mit dem Schnellzug ins Museum
Dieser Turbotripp nach Basel machte Eindruck: Hin in gut drei Stunden und vor Mitternacht waren alle wieder Zuhause nach einem gar nicht so stressigen Museumstag mit Ingeborg Flagge. Die meisten der 13 Clubschwestern kennen das Kopenhagener Museum „Louisiana“ noch von einer unserer letzten Reisen mit ihr, und da fällt der Vergleich mit dem „Museum in der Landschaft“ der Foundation Beyeler in Basel leichter: gerade 12 Jahre alt ist der Bau von Renzo Piano, der erste Eindruck lässt an eine asiatischen Bau denken, so wie auch in Kopenhagen die Architektur etwas Lichtes und mit den Ausblicken in die Natur Meditatives ausstrahlt. Als wir Ende März nach Basel kommen, ist dort eine Bonnard-Sonderausstellung zu sehen. Bonnard, „der Kolorist“ – heißt es in den begleitenden Texten zu dem französischen Maler, und damit ist deutlich gesagt, dass er hier nicht als Impressionist oder als Spätimpressionist angesehen wird.
Die Sammlung der Foundation ist berühmt. Wir sehen uns um: Mark Rothkos große Tafelbilder sind allein die Reise wert. Es überzeugen Miro, Picasso, Kandinsky, Mondrian und Paul Klee und viele andere der Klassischen Moderne. Einige dieser Kunstwerke hat man noch nicht gesehen, sie sind also für die meisten Überraschungen. Das gilt auch für die Werke der Frühen Moderne, die Künstler Rousseau, Cezanne, Rodin und
2.Tapies und viele, für die es sich lohnt, das Haus von Renzo Piano in Basel im Auge zu behalten.
Nur wenige Kilometer weiter und gerade mal zwei Stunden später sind wir schon auf dem Gelände der bekannten Designmöbelfabrik Vitra aus dem Jahr 1950. Was bis heute an Architektur-Design dazu kam, nennt sich jetzt „Campus.“ Unübersehbar, wie sehr sich dieses schwäbische Familienunternehmen in Weil am Rhein dem guten Geschmack verschrieben hat.
Bei diesem Rundgang ist eine Architekturführung sinnvoll, weil man sonst nicht erfährt, dass das Gebäude von Zaha Hadid aus 1993 ursprünglich als Feuerwehrhaus geplant war und das erste realisierte Haus überhaupt dieser berühmten, irakischen Architektin darstellt. In der Tat wird und wurde dieser eigenwillige Bau später ausschließlich zur Repräsentation genutzt, Feuerwehrleute hatten sich geweigert, hinter verglasten Wänden zu duschen, weiß Ingeborg Flagge; die Form hat über den Zweck triumphiert. Man wollte ohnehin von Anfang an nur einen Bau von Hamid. Wunderschöne Ausblicke vom Balkon gehen weit in die Landschaft, und wo könnte die Firma besser ihre Möbel vorstellen, als vor und in diesem Haus? Wenn Besucher neugierig über das Gelände streifen und sich gern in den neuen „Wavern“ wiegen, die hier überall einladend in Variationen herumstehen. Es sind traumschöne, witzig anmutende, ja sogar bequeme Liegestühle der neuesten Generation.
3. Überzeugender lässt sich nicht werben als im Milieu selbst. Der Clubraum der Feuerwehrmannschaft ist als solcher nicht sofort erkennbar. Man bewundert den 8 Meter langen Tisch und die schwingenden, ergonomisch gefügigen Panton-Chairs aus edel glänzendem Kunststoff. Wirklich nichts für erschöpfte Feuerwehrmänner? Wirklich nicht!
Vorbei an den Produktionshallen: heute, Samstag, machen sie so gar nicht den Eindruck als würde hier je gearbeitet. Es ist alles so sauber und leer auf dem riesigen Gelände! Es wird versichert, dass hier tatsächlich die Klassiker-Stühle und anderen Möbel entstehen. Wie zum Beweis steht zufällig das Tor einer Produktionshalle offen, und es beschleicht uns die Ahnung eines ganz sterilen, penibel sauberen Arbeitsprozesses.
Hinter den zwei großen Produktionshallen von Nicholas Grimshaw aus den 80er Jahren liegt eine kreisrunde der Architektengruppe Sanaa, eine weitere Halle von Frank Gehry von 1989, der auch das Vitra-Design-Museum und die kleine Pforte verantwortet. „Unverkennbar Gehry“ sagen alle, die schon einmal Bauten von ihm gesehen haben. Es sind die geschwungenen , von Computern berechneten Bauelemente, die oft aus reflektierenden Materialien wie Titanzinkblech, auf Dächer oder Wände appliziert wurden. Lichtschächte sind eine weitere typische Gehry-Bauart. Und die scheinbar auf dem Dach liegenden Fenster gehören zu seiner Handschrift. Die Steinermöbel, die zurzeit hier ausgestellt werden, sehen wir uns nicht an. Es drängt uns zu einem anderen bemerkenswerten Architekturjuwel: Tadao Ando.
4. Auf dem Weg zu diesem, nach außen völlig unauffälligem Gebäude, begegnet uns Claes Oldenburgs und Coosje van Bruggens Werkzeugskulptur. Drei Werkzeuge scheinen ein Tänzchen zu wagen, „Balancing-Tools“ haben die Künstler sie genannt. Sie gestaltet die weite Wiesenlandschaft vor den Hallen. Ende März indessen können wir gerade ahnen, dass zahlreiche Kirschbäume in relativ kurzer Zeit von der Skulptur ablenken und die Blicke auf sich ziehen werden, denn die Kirschblüte steht bevor. „Man müsste in zwei Wochen noch mal herkommen“, meint Ingeborg Flagge, dann ist das Tadao- Ando-Gebäude adäquat umrahmt. Denn es sei typisch für Ando, er beziehe die Natur ganz konsequent in sein Bauen mit ein. Hier sind es sogar alte japanische Kirschbäume, weiß Ingeborg Flagge. Das Gebäude selbst erhebt sich nicht über sie, nein, es ist abgesenkt, damit die Baumkronen dominieren. Ganz eigentümlich gestaltet Ando auch die Wege zum Eingang: es sind gepflasterte Wege, die in spitzem Winkel nicht direkt auf den Eingang zu führen. Besucher, das lässt sich an den Trampelpfaden im Rasen dazwischen ablesen, nutzen gern „Abkürzungen“, was entschieden gegen den Entwurf Andos geht.
Innen wie außen ist Sichtbeton das Material seiner Wahl. Puristisch und nur dann wirklich schön, wenn die Schalung des Betons perfekt geglückt ist. Ando setzt Maßstäbe: mit seiner Vorliebe für feinsten Sichtbeton, der in den Größen von Tatami-Schlaf-Matten (90 mal 180) verschalt wird, stellt er eine Beziehung zu seinem Land- zu Japan – her. Zusammen mit den typischen Löchern, die beim Verschalen entstehen, sind alle seine Bauten sofort wieder zu erkennen.
Das Haus wird heute für Tagungs- und Repräsentationszwecke genutzt.
Ingeborg Flagge ist eindeutig Ando-Fan; sehr interessant vermittelt sie uns Details aus seinem früheren Leben als Profi- Boxer in einem Nachtclub seines Bruders. Tadao Ando hat niemals Architektur studiert, er ist Autodidakt , aber seine Bauten wurden sehr schnell berühmt. Der 1941 in Osaka geborene Pritzker-Preisträger lehrte in der ganzen Welt und entwickelt und pflegt seine künstlerische Handschrift ständig weiter.
So sehr sich der Vitra- Campus als Museum für das besondere Design zeitgenössischer Architektur inszeniert, so sehr nutzt er es auch, in den zugänglichen Gebäuden die passenden Möbel zur Schau zu stellen. Das gesamte Ensemble ist zu einem Anziehungspunkt für Architekturliebhaber/Innen geworden. Man muss es gesehen haben.
Noch sind wir nicht am Ende. Einer der Höhepunkte wartet nach ausgiebiger Pause in einem schönen Café noch auf uns.
Es ist das jüngste Projekt der Firma und sieht aus, als hätte das Architekturbüro Herzog und de Meuron vor zwei Jahren viele einfache Häuser mit klassischen Satteldächern ziemlich wild auf einen Stapel geworfen. Es ist kaum zu beschreiben. In diesen vielen Häusern präsentiert das Unternehmen seine erfolgreichsten Schätze. Der Lounge Chair von Ray und Charles Eames aus dem Jahr 1956 ist und bleibt wahrscheinlich noch lange der Renner. Fast ein Renditeobjekt!
Uns erwarten mehrere Stockwerke gestaltetes Wohnen, von der Küche bis zum Kinderzimmer laden die Möbelkunstwerke zur Besetzung ein. Ab hier setzt ein heftiges Schwärmen und Ausschwärmen ein, alle entdecken „Bekannte“ oder „Lieblinge“ und kommen in Versuchung. „Alles natürlich inszeniert,“ kommentiert Ingeborg Flagge lakonisch die Werbestrategie der Firma Vitra. Die Familie könne sehr gut rechnen, sonst hätte sie die wirtschaftlich schwierigen Zeiten gar nicht überstanden.
Kunststoff verarbeitet das Unternehmen schon, seit es ihn in der Produktpalette gibt, aber aufgrund der hohen Preise gab es auch viele Reklamationen, was die Abnutzung betrifft. Langlebig heißt ja bei Kunststoffen nicht immer auch schön. Und damit diese Erfahrungswerte genutzt werden, wurde eine Restaurierungs- und Forschungsstelle dazu eingerichtet. Vitra arbeitet heute zu 40% mit Kunststoffen.
Am Ende sammeln wir uns an der Haltestelle, die uns zum Zug nach Basel bringen sollte. Kein Jux: hier wurde Jasper Morrison 2006 gebeten, aus einer profanen Haltestelle eine besondere zu kreieren. Was er tat. Aber das ist den meisten nicht wirklich mehr aufgefallen, weil die normalen Aufnahmekapazitäten für so viel Kunst und Informationen an einem Tag aufgebraucht waren.