„Das sind meine modernen Frauen“

„Das sind meine modernen Frauen“

Die Eigen-Art der Paula Modersohn- Becker

Ingeborg Flagge

Die gebildete und weitgereiste Malerin gilt als Vertreterin des frühen Expressionismus. Sie wurde in Dresden geboren, entstammt einem künstlerisch aufgeschlossenen Elternhaus und lernte schon sehr früh zeichnen und malen. Sie starb im Alter von 31 Jahren. In den 14 Jahren ihrer künstlerischen Tätigkeit entstanden 1000 Zeichnungen und 750 Gemälde.
Viele Quellen erwähnen ihr Interesse und die Anregungen, die sie deutschen Meistern der Renaissance wie Dürer, Cranach und Riemenschneider verdankte. Genau dies versucht die kleine Ausstellung „Das sind meine modernen Frauen“ zu vermitteln, die noch bis zum September im Arpmuseum gezeigt wird.
In dieser Ausstellung der „Kunstkammer Rau“ treten ca. 40 Werke Modersohn- Beckers in Dialog mit 20 Porträts und Landschaften vor allem des 16.und 17.Jahrhunderts. Aber um von dialogischer Beeinflussung oder gar Ähnlichkeit der Sichtweise zu sprechen, braucht es ein geübtes Auge. Die Strenge der Katharina von Bora (Cranach d.Ä. 1526), der Ehefrau Martin Luthers, oder der graziöse, träumerische Frauenkopf von Renoir (1876) gehören zwar demselben Genre des Porträts an, das Modersohn- Becker so liebte. Aber für den Blick des weniger geschulten Besuchers endet dort auch schon jede Übereinstimmung. Wo die historischen Bilder detaillierte Lebendigkeit und teilweise erotische Eleganz zeigen, wirken Modersohn- Beckers Porträts eher vereinfachend und flächig.
Die Ausstellung zeigt drei Kategorien von Bildern, Landschaften, Porträts und Akte. Vor allem die Landschaften sind in ihrer Reduziertheit von grosser Eindringlichkeit.

Die meist kleinen Formate leben von der Kraft der Stille. Die Malerin, die sich der Natur eng verbunden fühlt, malt keine romantischen Landschaften. Die anfänglich noch warmtönigen Farben ihrer Naturdarstellungen verändern sich mit der Zeit zu erdhaften, gebrochenen Farbgebungen, die sich auf Tönungen von Braun bis hin zu Schwarz konzentrieren. Die Weite der Moorlandschaft fasziniert die Malerin, aber es gibt keine Details, ausser manchmal Spiegelungen im Wasser oder typische schwarz-weisse Birkenstämme, die sie faszinieren und die häufig ein Bild dominieren. Modersohn- Beckers Landschaften bilden nicht die Natur ab, sondern geben vielmehr der Leere Raum, der still bis an die Grenze der Eintönigkeit reicht. Der Betrachter assoziiert Einsamkeit und Monotonie, die jedoch nicht abstossen oder langweilen, sondern faszinieren.
Modersohn-Becker malte sich am liebsten selbst. Herausgekommen sind dabei Bilder „einer sich ihrer Kraft bewußt werdenden Frau“. Die Künstlerin schreibt 1897 dazu: “Worpswede- du liegst mir immer im
Sinn. Deine Birken, die zarten schlanken Jungfrauen, die das Auge erfassen. Mit jener träumerischen Grazie, als ob ihnen das Leben noch nicht aufgegangen sei. Einige sind schon ganz kühn, mit starkem, geradem knochigen Stamm. Das sind meine modernen Frauen“.
Selten greift die Künstlerin bei Akten zu leuchtenden Farben; ihre Darstellungen sind in ihren Formen flächig und derb. Nicht selten wirken sie naiv und bäurisch. Um ihre Porträts und Figuren noch härter und ausdrucksstärker erscheinen zu lassen, umgibt sie ihre Figuren und Gesichter mit schwarzer Kontur. Sie selbst nennt diese Art der Darstellung „die grosse Einfachheit der Form“. Es geht ihr dabei mehr um die Komposition eines Bildes an sich als um einen emotionalen Ausdruck. Selbst ihre Kinderbilder sind frei von Verspieltheit und Gefühl.
Die manchmal „holzschnittartigen“ Darstellungen in Porträts und Akten lassen jede Tiefe des Bildes vermissen. Der stehende Mädchenakt (1899) mit den Armen hinter dem Kopf zeigt einen ausgemergelten grau-weissen Körper und macht jede Anteilnahme schwer. Das völlige Gegenteil ist ein Mädchenakt mit Apfel (1906) vor ungewohnt rotem Hintergrund, zart und einsam wirkend. Ein stehender weiblicher Akt mit vor dIE Brust gelegten Armen( 1905) vereint einen derb wirkenden Körper mit koketter Kopfhaltung, die für die Malerin eher ungewöhnlich ist. Was für ein Gegensatz zu der daneben aufgehängten schlafenden Bacchantin (1850) von Colbert, die anmutig und erotisch anziehend wirkt.
Das Ehepaar Paula und Otto Modersohn führte eine nicht leichte, aber auf künstlerischem Gebiet wohl kommunikative Ehe, auch wenn sie sich 1906 trennten. Aber was Otto in seinem Tagebuch 1905 über die Akte Paulas schrieb, dürfte sie mitgenommen haben: „ Sie malt lebensgrosse Akte, das aber kann sie nicht“. Und er hat nicht Unrecht, was besonders für männliche Akte gilt. Wirken viele der weiblichen Akte steif und linkisch, so gilt dies besonders für die männlichen. Die kleine Ausstellung zeigt dies an einem stehenden männlichen Akt nach links (1899) in den Farben grauweiß. Er wirkt ungelenk, verspannt und nicht lebendig. Im Gegensatz dazu der Rückenakt eines Fischers mit Netz von Bazille, jugendlich, blutvoll und aufregend natürlich.